A Taste of Greatness

Zeichen hatte der liebe Eugen im letzten Jahr mit der großen, kompletten Screaming Eagle Vertikale gesetzt. Ob er das in diesem Jahr toppen konnte? Ja, er konnte. Unglaublich, was da an diesem Abend bei "A Taste of Greatness" in die Gläser kam. Die Greatness bezieht sich dabei nicht nur auf die atemberaubenden Weine, sondern auch auf Größe und Großzügigkeit unseres Gastgebers. Tausend Dank für dieses einmalige Erlebnis, lieber Eugen.


Alle Weine, die der Baschi Schwander perfekt aus der Flasche mit optimaler Temperatur in die Gläser brachte, zeigten deutlich, um wie viel besser Weine reifen und immer noch Frische zeigen, wenn sie aus bester Lagerung stammen.

Großes Burgunder Kino gleich zu Anfang der noch so junge 2005 Puligny Montrachte Les Pucelles von der Domaine Leflaive aus der Magnum, traumhaft balanciert mit verschwenderischer, nussiger Fülle, aber auch mit Präzision und intensiver Mineralität, hat noch so viel Potential (WT95+). Und dann kam gleich zum ersten Gang des großartigen Menüs im Restaurant Adelboden in Steinen ein Wein, der alleine schon die weiteste Anreise wert war. Der 1899 d'Yquem in einer Händlerabfüllung war noch so noch so vital und stimmig mit einer großartigen Aromenfülle. Kumquats, Orangenzesten, Kaffee, Mokka, dunkles Toffee, Brioche, Bittermandel, dazu mit einer hohen Säure, die ihm Frische verlieh, die Süße eher dezent. Kann man ein solches Erlebnis überhaupt bepunkten? Ich hab es mal mit strengen WT95 versucht, die aber diesem einmaligen Erlebnis nicht ansatzweise gerecht werden.


Reife Kalifornier aus den Golden Seventies im ersten Flight. In Kalifornien wurden damals großartige Weine erzeugt mit Bordeaux-Stilistik und niedrigem Alkohol, Nur der 1974 Phelps Insignia zeigte in diesem Mörderflight deutliche Reife und erzählte eher von alten Zeiten. Aber auch der zeigte noch eine deutliche Substanz und war gut trinkbar – WT88. Die geniale Minz- und Eukalyptus-Legende 1974 Heitz Martha's Vineyard war noch praktisch taufrisch. Baschi hatte diesen Wein, der im Glas förmlich explodierte, 6 Stunden vorher dekantiert. Zeigte immer noch eine feine, rotbeerige Frucht und wirkte bei aller Nachhaltigkeit und Länge sehr elegant – WT98. Schier unsterblich auch der zeitlos elegante 1974 Ridge Monte Bello, der sich enorm im Glas entwickelte und dabei immer minziger wurde - WT97. Einfach perfekt der unglaublich druckvolle 1978 Shafer mit tiefer, dunkelbeeriger Frucht, mit viel Minze, enormer Kraft, Substanz und Länge, ein faszinierender Wein, der einfach sprachlos machte - WT100. Kräftig mit noch viel Zukunft auch der 1978 Mayacamas, mit dem ich mich nie richtig anfreunden konnte. Aber dieser etwas rustikal wirkende Brocken hat immer noch ein deutliches Tanningerüst, der könnte in 10 Jahren für eine große Überraschung gut sein - WT96.

Da blieb keine Zeit zum Luftholen, denn es ging gleich weiter mit fünf europäischen Klassiker. Den Anfang machte der noch so jungen, konzentrierten 1985 Sassicaia, so druckvoll und komplex am Gaumen mit irrem Tiefgang und ewiger Länge, der auf bestem Wege zu der einmaligen Größe ist, die er in den jungen Jahren gezeigt hat, ein Weltklassewein mit großer Zukunft - WT98+. Dem üppigen, opulente 1990 Alzero von Quintarelli wurde am Tisch mit seiner süßen Fülle nicht ganz zu Unrecht als Dolly Buster Imitation bezeichnet. Etwas oxidativ wirkend, am Gaumen süß wie ein Ruby Port und perfekter begleiter eines dicken Schoko-Desserts, das er auch komplett ersetzen kann, Fans dieser Stilrichtung punkten deutlich höher - WT94. 1997 Solaia zeigte Eleganz pur in der sehr feinen Nase, ging am Gaumen als (an)gereifter, großer, ledriger Bordeaux durch – WT97. Überragend der noch nie so gut getrunkene 1997 Sperss von Gaja, Barolo vom Feinsten mit großartiger Struktur und mit dem großen Rosenbeet auf der frisch geteerten Autobahn – WT99. Als dekadenter Crowd Pleaser zeigte sich 2006 Masseto, süß, üppig und auch etwas nuttig in der Nase, am Gaumen neben intensiver Süße auch gute Tannine und Säure, da reicht ein gut gefülltes Glas zum Hurra schreien, mehr würde zu aufdringlich - WT97.


Und auch im nächsten Flight gab es ein Ikonen-Treffen aus Europa. Eigentlich eine sichere Bank ist der 1968 Vega Sicilia Unico, den ich schon häufig mit WT99 im Glas hatte. Hier zeigte er jetzt wieder so eine wunderschöne, noch so frische, würzige Nase, war aber am Gaumen leicht säuerlich und etwas enttäuschend, sicher nicht die beste Flasche – WT93. Dafür zeigte der 1995 Pingus wieder in absoluter Weltklasse-Form. Superdichte, junge Farbe, konzentrierte, dunkelbeerige Frucht mit Minze, am Gaumen enorm kraft- und druckvoller Auftritt mit irrer Länge. Ein Riese, einfach perfekt - WT100. Der noch viel zu junge 1986 Mouton (Eugens Keller scheint ähnlich kalt zu sein wie meiner) ließ nur ahnen, was da in 10-20 Jahren mal perfektes ins Glas kommt. Die Nase mit diesem gewaltigen Cassis-Minzkonzentrat war schon beeindruckend, aber am Gaumen waren da noch Gaumen-beschlagende, massive Tannine. Am Tisch wurde diskutiert, ob dieser Wein mit seinem Giga-Potential nicht einen Fehler hatte. Ja, den hatte er, aber nur einen: er war schlicht und einfach aus dieser perfekt gelagerten Flasche noch 10 Jahre zu jung. Für jedes weitere Jahr kommt da zu den heutigen WT95+ noch ein halber Punkt dazu. In 10 Jahren mach e ich dann auch meine eigenen Kisten auf und ergötze mich hemmungslos an einem der größten Weine des letzten Jahrhunderts. Viel wurde, vor allem in den letzten Jahren, über den Jahrgang 2003 und seine Probleme geschrieben. Das kann man wohl alles knicken, vor allem, was die Topweine angeht. Keine große Zukunft mehr gab man 1953 dem voll trinkbaren 1947 Cheval Blanc, ebenfalls aus einem heißen Jahrgang. Heute, im zarten Alter von 70 Jahren, steht der aus perfekt gelagerten, nicht gefälschten Flaschen immer noch wie eine Eins im Glas. So könnte es auch mal dem 2003 Lafite Rothschild ergehen, der mit seiner elegant-üppigen Nase reif wirkt, aber am Gaumen immer noch ein tolles Gerüst reifer Tannine besitzt. Zeigte jetzt schon fast alles, demnächst noch mehr, und wird das dann für lange Jahre tun - WT98+. Beim gleichwertigen 2003 Margaux dauert es wohl noch etwas länger. Röstig-elegante, leicht üppige Nase, am Gaumen deutlich verhaltener als der Lafite mit kräftigen Tanninen, aber gewaltigem Potential - WT97+.

Im Internet kursieren Fotos, wie ich nach einer ersten Verkostung des nächaten Flights ein Schild mit einer großen 500 hoch halte. Damit hätte ich es eigentlich bewenden lassen können. Das waren fünf riesengroße, moderne, perfekte Kalifornienklassiker, von denen jeder einzeln für sich der Star einer großen Verkostung gewesen wäre.

Noch ein Riese im werden der 1994 Dalla Valle Maya mit dunkler, geradezu tintiger Farbe und der dazugehörigen Nase, die immer minziger wird, am Gaumen unbändige Kraft, Jugend, Länge und geradezu irres Zukunftspotential - WT98+. 1994 ist in Kalifornien so eine Art modernes Remake von 1974 mit großartigen, nicht überladenen Weinen, die noch sehr lange immensen Trinkspaß bereiten werden. Musterbeispiel hierfür ist in schiere Perfektion der best-ever 1994 Harlan, der mit seiner einfach geilen, kalifornischen Bordeaux-Nase am Gaumen wieder die Quadratur des Kreises zeigt, ein junger, gereifter Latour - WT100. Und natürlich hat 1994 noch einen moderneren, etwas üppigeren Nachfolger mit dramatisch guten Weinen, die vielleicht nicht ganz das gleiche Alterungspotential haben. Ein großartiges Beispiel dafür hatten wir in diesem Flight, ebenfalls aus dem Harlan-Stall, den atemberaubenden 2001 Bond St. Eden, minzig, klassisch, ledrig in der Nase, aber am Gaumen trotz großartiger Struktur mit geradezu dekadenter Süße und ewigem Abgang – WT100. Nur deshalb wurde ich dann wohl beim wilden, exotischen 2002 Colgin Cariad richtig geizig. Auch da war auf höchstem Niveau Kraft, Fülle und Freude in der Nase und am stimmigen Gaumen enorme Substanz für eine lange Zukunft – WT99. Der eleganteste Wein dieses Hammerflights ging im Trommelfeuer der Boliden fast etwas unter, der feine, im Vergleich schon burgundische Konturen zeigende 2002 Screaming Eagle. Im letzten Jahr war der mir in seiner damals sehr üppigen Art schon fast zuviel des Guten. Jetzt zeigte er sich völlig anders. Gefiel mir eigentlich besser. Mal sehen, wie das weiter geht - WT97.


Perfekt ging es dann im letzte Flight weiter mit 1986 Penfolds Grange, einem der besten Grange aller Zeiten. Grandiose Nase mit irre konzentrierter Frucht und Eukalyptus, auch am Gaumen unglaublich konzentriert und immer noch so jugendlich wirkend mit Potential für lange Jahre - WT100. Nur knapp dahinter der so erstaunich reife, so betörende, schon fast burgundisch wirkende 1990 Hermitage von Chave, der bei aller hedonistischen Süße einer großen Pralinenpackung auch noch eine sehr gute Struktur zeigte - WT99. Viel zu jung noch wirkte der 1998 Beaucastel Hommage Perrin, der vielleicht noch deutlich länger in der Karaffe und später im Glas hätte bleiben müssen. Man ahnt das Pfauenrad an Aromen, das sich jetzt nur ganz zögerlich entfaltet und staunt über die Eleganz und Grazie, die dieses gewaltige Konzentrat verströmt, einfach noch liegenlassen, der hat Legendenpotential - WT97+. Natürlich scheiden sich die Geister beim üppigen 2003 Chateauneuf-du-Pape Cuvée Da Capo der Domaine Pegau, dem wohl geilsten Kirschlikör des Chateauneuf, dessen 16,1% Alkohol man eigentlich nur spürt, wenn man nichts mehr spürt. Reif, süß und etwas dick in der Nase wirkend, sehr kräftig, füllig mit viel Druck am Gaumen. Vor 5 Jahren habe ich den Da Capo noch mit WT100 bewertet. Momentan scheint er auf höchstem Niveau etwas aus dem Leim zu gehen. Aber das könnte auch eine Übergangsphase sein, denn weder Alter noch Oxidation sind spürbar. Setzen wir also auf ein Rebound in ein paar Jahren - WT97+. Und dann war da noch dieser 2005 Sine Qua Non Atlantis mit seiner seltsamen Mischung aus Opulenz und Strenge, für den sich am Tisch trotz sicherlich vorhandener Qualität niemand so richtig erwärmen konnte - WT95.

Und natürlich hat Baschi Schwander seine sehr lesenswerten Notizen auch schon auf seiner Page mybestwine.ch veröffentlicht.