Frühlingserwachen

Schon traditionell machen Thomas und Marcel diese feine Frühlingserwachen-Probe in größerer Runde als ihren Start in den Frühling. Ort des Geschehens das Glasirestaurant in Hergiswil am Vierwaldstättersee. Diesmal spielte auch die Natur mit und wie! Das Tal war bei blauem Himmel mit feinstem Sonnenschein ein einziges Blumen- und Blütenmeer. Tief verschneit oben herum noch die Berge. Und als Krönung des Ganzen holte uns der Thomas von der anderen Seite des Sees mit dem eigenen Boot ab. Bei diesem Traumwetter, schon fast einem Frühsommertag, mit dem Boot über den spiegelglatten See zu gleiten und dabei die atemberaubenden Ausblicke genießen zu dürfen, das waren locker 100 Punkte. Und da das Boot von Thomas und Gregor auch einen eigenen, kleinen „Keller“ hat, mussten wir auch nicht verdursten. Ein 2008 Brauneberger Juffer Kabinett von Schloss Lieser passte mit seiner herrlichen Frische und der fruchtigen, filigranen Leichtigkeit einfach perfekt – WT90.

Drüben angekommen wartete schon der Apero, ein 2011 Sauvignon Blanc Zieregg von Tement aus der Doppelmagnum, eingeschenkt von Dani, der uns in dieser Probe als kenntnisreicher Maitre de Plaisir verwöhnte. Der Tement wirkte aus der DM noch so unglaublich frisch und schlank mit tiefer Mineralität, von der Anmutung her eher 12 als 11 – WT95+. Probleme hatte ich mit dem 2006 Smith Haut Lafitte Blanc, einem sehr kräftigen Wein, der von Holz dominiert wurde, Frucht und Finesse weitgehend Fehlanzeige, war´s das schon? – WT89.

Und damit waren wir schon bei den ersten Roten. Alle folgenden Weine wurden blind ausgeschenkt. Da gab es reichlich Gelegenheit, sich zu blamieren. Wobei hier wie für alle Blindproben galt: Weine völlig blind zu erkennen und dabei sogar eine Punktlandung zu machen, ist verdammt schwierig. Eigentlich blamiert sich bei Blindproben nur, wer sich duckt und nichts sagt. Eine wunderbare, minzige, üppige, druckvolle Kalifornien-Nase hatte der 1986 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve aus der Imperiale mit Schwarzkirsche. Am Gaumen wirkte er etwas austrocknend mit Zedernholz. Entwickelte sich im Glas, wobei der Gaumen zulegte und etwas generöser und weicher wurde, während die Nase etwas abbaute. Sicher selbst aus dieser Impi auf dem Höhepunkt oder schon etwas darüber – WT90. Besser gefiel mir der 1986 Beringer Private Reserve aus der Magnum mit tieferer Farbe, generöser, vanilliger, karamelliger Nase mit Minze, am Gaumen mit durchaus noch gutem Tanningerüst, wirkte reifer und weiter als die vor ein paar Wochen auf Sylt getrunkene Flasche – WT92. Tief und noch sehr jung die Farbe des 1986 Chateau Montelena, die Nase recht streng mit Paprika und Schwarzer Johannisbeere, am Gaumen sehr präsente Tannine – WT93.

Hell die Farbe des 1997 Barbaresco Asili von Giacosa, ein reifer, feiner, sehr eleganter Schmeichler, seidig am Gaumen, mineralisch mit guter Säure – WT94. Gut gereift aber immer noch mit Potential für lange Jahre der 1998 Barolo Falletto di Serralunga von Giacosa mit Rosenduft und teeriger Mineralität – WT92. Fehlerhaft leider der 1998 Barolo le Rocche von Giacosa.

Ein Spätstarter ist Leoville Barton. Er braucht in der Regel lange, um alles zu zeigen, was er drauf hat. Aber wenn der Leoville Barton dann reif ist, muss er sich hinter den beiden anderen Leos, dem las Cases und dem Poyferré nicht verstecken. Der 1995 Leoville Barton war jetzt endlich soweit und zeigte sich in bestechender Form mit wunderbarer Frucht und dem Charme eines perfekt (an)gereiften, großen St. Julien – WT94. Noch eine Ecke drüber mit perfekter Struktur der gewaltige, rassige 1996 Leoville Barton mit perfekter Frucht – WT96. Der 1998 Leoville Barton hielt mit den beiden anderen nicht mit, wirkte sehr kompakt und unzugänglich mit mehr Zedernholz als Frucht – WT91. 1995 und 1996 stehen ab sofort auf meiner Suchliste.

Hin und weg war ich im nächsten Flight von 2000 Figeac. Das war so ein offener, einfach geiler 2000er in perfektem, erstem Trinkstadium, aber auch mit enormer Kraft, sehr druckvoll am Gaumen und reifen, aber deutlichen Tanninen für eine große Zukunft – WT96. 1998 Pavie, der erste große Pavie der neueren Zeit, konnte da mit Kraft, Fülle und Länge voll mit – WT96. Star dieses Superflights aber war für mich 1998 Tertre Roteboeuf, ein hedonistischer Wein mit üppiger Frucht, der vom legendären 2000er des Gutes nicht weit entfernt ist – WT97.

Trinkspaß pur dann 2008 Monteverro, der erste Jahrgang dieses Shooting Stars aus der Toskana, mit herrlicher Frucht und Süße, aber auch mit gutem Rückrat – WT95. Ebenso 2010 Monteverro, der zusätzlich noch etwas mehr Struktur zeigte und jetzt trinkreif wird – WT96. Die Überraschung für mich in diesem Flight der sehr mineralische, kräftige 2009 Markowitsch M1 mit großartiger Struktur – WT95.

Einmalig dann 2010 Terra di Monteverro aus der Magnum, den ich noch nie so gut im Glas hatte – WT94. Da konnten einem in diesem letzten Flight die beiden G´s von Gesellmann, der 2002 und der 2003 richtig leid tun, die beide nur mit dem ersten Schluck überzeugen konnten, dann aber deutlich abfielen. Vielleicht nicht die besten Flaschen, aber der geniale Terra ließ denen einfach keine Chance.

Wie gerne wäre ich auch zurück wieder mit dem Boot gefahren. Aber leider hatten beide Capitanos mehr als die inzwischen auch auf dem See nur noch erlaubten 0,5 Promille. Also rein ins Taxi und zurück auf die andere Seeseite. Da lud die Terrasse des Balm in Meggen noch in abendlichem Sonnenschein zu einem gepflegten Absacker ein, gefolgt von einem grandiosen Abendessen aus Beat Stofers Küche. Schlichtweg ein Traum der 2012 Gantenbein Chardonnay, so eine Art hochklassiger Meursault aus der Bündner Herrschaft, sehr mineralisch mit präziser Struktur (Daniel Gantenbeins Liebe zu den großen Chablis von Raveneau lässt grüßen), würzig, Zitrusfrüchte, feiner, nussiger Schmelz und ein gewaltiger Druck am Gaumen, dürfte mit den Jahren weiter ausbauen und noch zulegen, der für mich vielleicht beste Gantenbein Chardonnay bisher – WT95+. Sehr kräftig, würzig und mit deutlicher Kräuternote der 2011 Studach Pinot Noir, der auch noch stückweit verschlossen und etwas rustikal wirkte und ebenfalls zulegen kann – WT92+. Wie schön, dass der abschließende 2004 Ridge Monte Bello aus der Magnum kam. Eine eher etwas schlankere, elegantere Monte Bello Variante mit betörender Frucht, so balanciert, so stimmig und erst ganz am Anfang einer langen Entwicklung – WT95.