Feiertagssause im D´Vine

Zu einer spontanen Weinrunde hatte sich eine feine Runde Hiergebliebener bei sommerlichen Temperaturen auf der Terrasse des D´Vine eingefunden. Die Stadt war angesichts des verlängerten wochenende ziemlich leer, und dann war da noch das Champions League Endspiel. So hatten wir Lokal und Terrasse fast für uns. Christoph kochte mördermäßig gut und Toni spielte gelungen den Edelsommelier.

Unsicher machte mich der erste Wein. Da war diese tiefe Orangenfarbe und leichte, oxidative Noten. Nur dieses deutliche Kribbeln am Gaumen, das von früherem Mousseux erzählte, machte deutlich, dass es sich hier eher um einen älteren Champagner handeln musste. Orangenzesten in der Nase, Kramell und etwas überlagertes Brioche, am Gaumen unspannend und säuerlich. Nein, dieser 1979 Perriet Jouet Belle Epoque hätte eigentlich deutlich besser sein müssen. Mit Luft bäumte er sich noch mal etwas auf, meine Noten stiegen von WT83 auf WT87, aber die Enttäuschung blieb.

Keine Chance hatte leider der zweite Wein, ein 2007 Hudson Vineyards Chardonnay, der einen immer übleren Kork entwickelte.

Und da nicht nur aller guten, sondern wohl auch aller schlechten Dinge drei sind, machte uns auch ein 2008 Palladius von der Sadie Family etwas ratlos. Gut, 2008 war jetzt mit seiner eher kühlen, feuchten Witterung nicht gerade das größte Südafrika-Jahr, aber diese Cuvée aus 8 Rebsorten hätte deutlich mehr singen müssen. Tiefes Goldgelb, enorme Kraft, salzige Mineralität, stoffig, aber auch reif und etwas verschlossen zugleich wirkend, die Frucht gut versteckt. Ob der ähnlich weißen Rhone-Weinen, mit denen er die meisten Rebsorten teilt, die Rhone-übliche Pause einlegt und in 10 Jahren wieder aufmacht? Wir bleiben am Thema dran. So war es denn mit gewaltiger Länge am Gaumen ein guter Essenswein, aber kein Solist – WT90.

Hätten wir doch wegfahren, oder zumindest Fußball gucken sollen? Nein, es sollte deutlich besser kommen. Zunächst waren zwei Burgunder an der Reihe. Reif in der relativ hellen Farbe und der gesamten Anmutung der 1969 Clos de Vougeot Vieux Plants (=Alte Reben) von Paul Tribourg, aber immer noch mit pikanter Frucht und Kastanienhonig in der Nase, am Gaumen gute Säure, feiner Schmelz, malzige Süße, baute mit Luft deutlich aus – WT92. Ein großer, kompletter Burgunder im anderen Glas der 1993 Clos de Vougeot von Méo-Camuzet, reife Kirschfrucht, perfekte Himbeere in der Nase, am Gaumen enormer Druck und Tiefgang, die Kraft von Vougeot mit viel Eleganz sehr harmonisch rübergebracht. Sicher ein Wein mit noch viel Zukunft – WT96. 1993 ist wie auch 1992 ein Burgunderjahrgang, dessen beste Weine lange gebraucht haben, sich aber heute in bestechender Form zeigen.

Sehr dicht und kräftig, auch in der altersfreien Farbe, präsentierte sich aus einer perfekten Flasche der 1970 La Fleur Petrus, der am Tisch blind als deutlich jünger eingeschätzt wurde. Dunkle Frucht, Kaffeebohnen in Bitterschokolade, großartige Struktur am Gaumen mit immer noch intaktem Tanningerüst, aber auch feinem Schmelz und einem ersten Schuss Opulenz, da spielt die Musik noch lange – WT95. Mehrfach hatte ich diesen damals ziemlich uncharmanten, von harten Tanninen und deutlicher Säure geprägten Wein in den 80ern und 90ern im Glas. Warten hat also gelohnt. Ich werde in der nächsten Zeit auch andere, damals abgeschriebene 70er mal wieder unter die Lupe nehmen. Im anderen Glas der noch so jugendliche 1979 Volcanic Hill von Diamond Creek mit sehr frischer Frucht, einfach sex wirkend, dabei mit grandioser Struktur, minzig, immer mehr Eukalyptus, sehr mineralisch, genug Rückgrat für Jahrzehnte, ein großer, kalifornischer Klassiker – WT96.

Deutliche Reifetöne in der Nase hatte der 1986 Kanonkop Cabernet Sauvignon, aber auch – passend zum Fronleichnam-Wochenende – Weihrauch, dazu etwas Eukalyptus. Am Gaumen zeigte er sich deutlich besser und noch so vital mit guter Frucht. Südafrika kann also altern – WT91. Klar spielte der 1986 Leoville las Cases in einer anderen Liga. Dieses Monster zeigte sich als leicht jüngere Version des 82ers, gewaltige Struktur, Druck, Biss, sehr mineralisch, massive Tannine und etwas verhaltene, puristische Frucht – WT94+. Wird mal in 10 Jahren mit dem 82er des Gutes ein spannendes Duo abgeben. Etwas offener, sexier mit viel Cassis, der Mouton-typischen Röstaromatik, mit Leder und Bleistift der 1996 Mouton Rothschild, der aber ebenfalls am Gaumen noch von mächtigen Tanninen geprägt war – WT96. Ein sehr langlebiger, großartiger Mouton, der längst noch nicht alles zeigt und sich über Jahrzehnte entwickeln dürfte.

Und dann kam der Wein des Abends, eine absolut oberaffengeile 1995 Shafer Hillside Select Magnum. Das war Hillside in Bestform. Süße, dekadent leckere Frucht, dazu Tabak und Minze, aber auch eine perfekte Struktur und Harmonie. Da war nichts Dickes, nichts überladenes oder marmeladiges. Einfach ein großer, mineralischer Wein, der so auch aus einem großen, reifen Pauillac-Jahrgang stammen könnte, mit der Struktur von Latour und dem Hedonismus von Mouton – WT99. Das war nicht nur meine bisher beste Flasche dieses Weines bisher. Es war auch höchst erfreulich (für die eigenen Kellerbestände) zu sehen, dass dieser, über etliche Jahre verschlossene Wein sich wieder voll geöffnet hat.

Offen, füllig, mit satter, reifer Frucht, viel süßem Holz, aber auch guter Mineralität, sehr würzig mit Kraft und dekadenter Fülle der 2005 Termanthia, der voll da ist und alles zeigt, das aber sicher noch ein weiteres Jahrzehnt tun wird – WT95. Warten lohnt immer noch beim 2006 Sassicaia, obwohl der sich schon erstaunlich offen zeigte. Sehr fein und elegant mit traumhafter, süßer Frucht, gut eingebundenes, aber noch spürbares Holz mit Vanille, Mineralität, reife, aber sehr präsente Tannine, so elegant und harmoinisch. Dürfte noch zulegen und sich perfekt in die größten Sassicaia-Jahrgänge einordnen – WT96+.

Und dann brachte Toni noch einen echten Knaller, den immer noch blutjungen 2009 Trilogia, so dicht mit süßer Frucht, einem Hauch Exotik, jungen Röstnoten und gutem Tanningerüst – WT94+. Hier ist noch Geduld angesagt. Die Trilogias brauchen gut 10 Jahre, bis sie alles zeigen. Dieser hier hat die Chance, mal der bisher beste Trilogia aller Zeiten zu werden. Und das heißt eine Menge, denn 1999 z.B. ist auf WT95 Niveau immer noch so frisch und voll da.

Süß dann der Abschluss dieses herrlichen Abends. Ein feiner, balancierter Wein war die 1976 Ruppertsberger Linsenbusch Riesling Auslese von Reichsrat von Buhl mit karamelliger Süße, aber auch noch guter Säure – WT90. Süßer, fülliger, druckvoller mit schöner Bitternote die noch erstaunlich frische 1976 Homburger Kallmuth Rieslaner BA von Fürst Löwenstein – WT93.