Große Burgunder in Halle "M"

Prowein war in Düsseldorf. Hier traf sich, was in der Weinwelt Rang und Namen hatte. Und wo war diese Halle „M“, in der es am Prowein Montag die alten Burgunder gab? Das war das Landhaus Mönchenwerth, gegenüber der Messe malerisch auf der anderen Rheinseite gelegen. Hier fand in diesem Jahr begleitet von einem feinen Menü von Guy de Vries meine große Probe alter Burgunder für meine Winzerfreunde statt, eine schlichtweg atemberaubende Probe mit Weinen wie vom anderen Stern.

Mit viel Glück war ich auf einer Auktion an einige Magnums des 2009 Hospice de Beaune Meursault Charmes Cuvée Bahezre de Lanlay von Lucien Le Moine gekommen. Das war ein perfekter Apero für diese große Probe. Ein großer Weißer Burgunder, sehr würzig, mineralisch mit feinem, nussigem Schmelz und enormem Tiefgang – WT95.

Mit dieser Frische konnten natürlich die alten Meursaults nicht mit. Der 1921 Hospice de Beaune Meursault von Drouhin wirkte eher wie ein Sherry Amontillado mit leicht malziger Süße und einer feinen Bitternote im Abgang. Klar war da spürbares Alter, aber er trank sich immer noch sehr gut und baute mit Luft im Glas immer mehr aus – WT90. Deutlich frischer der 1937 Meursault Goutte d´Or von Paul Fellot, der immer noch eine brilliante Farbe und eine glockenklare Frucht besaß. Einfach phänomenal für das Alter, kräftige Säure, sehr gute Struktur, machte noch richtig Spaß zu trinken – WT93.

In die Rotweine starteten wir traditionell mit einem Piraten. Diesmal war das eine 1959 Marienthaler Klostergarten Spätburgunder Auslese vom Staatsweingut Marienthal. Schade, dass sich bei diesem Wein, der immer noch gute Frucht und eine schöne Fülle besaß, ein leichter Kork einschlich. Wäre sonst ein feiner Wein auf WT90 Niveau gewesen.

Aus kleinen, dickbauchigen Flaschen, die ich im vorletzten Jahr auf einer belgischen Auktion abstauben konnte, kamen die nächsten beiden Weine. Der 1924 Vosne Romanée von Godin hatte noch eine für 90 Jahre erstaunlich intakte, dichte Farbe, gute Frucht und schöne Süße, aber leider auch etwas flüchtige Säure – WT90. Deutlich jünger im Vergleich der 1942 Nuits St. Georges von Godin, so elegant, so fein, so perfekt balanciert mit immer noch wunderbarer Frucht – WT96.

Eine sehr feinduftige, hoch elegante Burgundernase hatte der 1934 Pommard von den Caves des Gourmets Gentner, auch am Gaumen fein, balanciert und schlank im positiven Sinne, gute Säure, baute enorm im Glas aus – WT94. Ein TGV, ein Trés Grand Vin, war der 1934 Chambolle Musigny von Louis Latour mit reichlich Süße, Frucht, Fülle und Länge – WT96.

Und damit waren wir bei den 99jährigen. Die hätte ich vielleicht noch ein Jahr aufheben sollen, aber was soll’s. Als Menschen hätte von diesen quicklebendigen Senioren noch keiner ins Altersheim gemusst. Wenn es beim 1915 Chambertin von Bernard überhaupt etwas zu bemäkeln gab, dann war es die zu Anfang leich käsige Nase, die sich mit der Zeit in einen feinen Stinker wandelte. Erstaunlich kräftig am Gamen mit sehr guter Struktur, wirkte etwas edel-rustikal und baute enorm aus – WT96. Ganz großes Burgunderkino der 1915 Clos Vougeot von Nicolas, mit feiner Süße, burgundischer Pracht und Fülle, Eleganz und enormer Länge ein großer, kompletter, immer noch so vitaler Burgunder – WT98.

So unglaublich fein, elegant und finessig mit filigraner, fast zerbrechlicher,pikanter, roter Frucht der 1915 Chassagne Montrachet Clos de la Maltroye von de Beuverand mit guter Säure und perfekter Harmonie am Gaumen – WT99. Ausgerechnet der vierte 15er, ein 1915 Bonnes Mares Comte de Vogue von Colombet, hatte leider einen Treffer, schade.

Sehr überzeugend der Auftritt des 1919 Richebourg von Liger Belair, ein unglaublich kräftiger, dichter Wein mit gewaltiger Länge, der locker 50 Jahre jünger wirkte – WT97. Da mekte man deutlich, warum die Jahre 1911, 1915 und 1919 als die Goldene Zeit des Burgunds mit fast unsterblichen Weinen gelten. Und dann waren endlich die WT100 fällig. Der 1933 La Romanée von Dufouleur war so ein perfekter, druckvoller Burgunder, ein Wein aus einem Guss, mit generöser, dezent kräuteriger Süße, immer noch guter Frucht, blieb mit unglaublicher Länge ewig am Gaumen – WT100.

Ausnehmend gut auch der 1929 Beaune Cent Vignes von de Beuverand, reif, süß, füllig und mit einer leicht speckigen Rhone-Note – WT97. Spektakulär der 1929 Beaune Première von Marius Meunier, der noch so unglaublich jung wirkte mit irrer Frucht und Süße, perfekt balanciert und stimmig, seidige Eleganz, aber auch ungeheurer, aromatischer Druck und ewiger Abgang, geradezu abartig jung für einen über 80 Jahre alten Wein, aber da stimmte bis hin zum Korken alles. Der war so alt und doch so jung und einfach saugut – WT100.

Es ging auf einem Wahnsinnsniveau weiter. Sehr reif zwar, weich und malzig, verschwenderische Süße, aber auch gute, tragende Säure und hohe Mineralität (Graphit), stand wie eine Eins im Glas, dieser 1937 Mazis Chambertin von Bassot – WT98. Lakritzig, kräuterig mit feiner Süße der perfekt balancierte, noch so unglaublich frisch wirkende 1937 Charmes Chambertin von Potheret – WT97.

Unverschämtes Flaschenglück hatten wir in dieser Probe. Der 1945 Clos Vougeot von Lalignant Chameroix hatte wieder dieser irre, noch so präsente und frisch wirtkende Frucht, war so dicht, so komplex, so perfekt balanciert, da stimmte einfach alles – WT100. Sehr würzig mit feiner, molliger Wärme und generöser Süße der am Gaumen lange 1945 Clos Vougeot von Moillard-Grivot – WT97.

Dreimal hatten wir schon die Traumnote WT100 im Glas, und jetzt kam ein Wein, der als Primus inter Pares eigentlich der Wein des Abends war, ein 1947 Vosne Romanée Clos Frantin von Grivelet. Auch da stimmte wieder alles, Burgund in Perfektion, absolut stimmig und balanciert mit ewiger Länge – WT100. Sehr dicht, schon fast zu dicht die Farbe des 1947 Vosne Romanée von R&U, der zwar noch sehr gut zu trinken war, aber gefährlich lebte und erste Ansätze von Oxidation zeigte – WT90.

Von der Papierform her hätte der 1949 Chambertin von Thorin ein großer Wein sein müssen. Aber mit dem war nicht mehr viel los. Der kam sehr reif ins Glas und baute rapide ab – WT82. Deutlich besser der praktisch altersfreie, sehr feine, elegante 1949 Pomard Grands Epenots von Ed. Mahler Fils & Frères, der noch eine erstaunliche Frische zeigte – WT96.

Gut gereift mit Kraft, Süße und Länge der 1959 Griotte Chambertin von Abel Porte – WT96. Schlank, druckvoll, rassig mit traumhafter Frucht und guter Säure der 1959 Griotte Chambertin von Royé-Labaume – WT97.