1911

In 1911, einem guten Weinjahr, lassen sich sicher noch ein paar schöne Weine finden.

Latour war 2021 in einer von Kapff Abfüllung ein großer, kompletter, komplexer Latour, immer noch so kräftig mit sehr guter Struktur und guter Säure. Er zeigte immer noch etwas feine, rotbeerige Frucht, die klassische Walnuss-Aromatik, dazu Mokka und Trüffel. Ein sehr beeindruckender Latour, der anscheinend ewig leben wollte – WT97.

Sehr viel hatte ich mir 2011 von Gruaud Larose in einer perfekten Mähler Besse Abfüllung versprochen. Äußerlich war die Flasche perfekt, aber der Inhalt war trüb und erinnerte eher an eine Tube Uhu.

Lanessan war 2001 ein überragender und deutlich jünger wirkender Wein mit brillianter Farbe, superlang und komplex am Gaumen – 97/100. Zuletzt hatte 2011 die Zwillingsflasche eine sehr generöse, süße, burgundische Nase, am Gaumen sehr präzise Konturen, voll intakt und noch lange nicht am Ende – 94/100. Alte Lanessans sind einfach eine Bank.

Bei Cantemerle war 2011 hell, aber immer noch intakt und mit Brillianz die Farbe, wunderbare Nase, filigran, elegant, pikant und einfach betörend, ging als großer, gereifter Pinot durch, was sich am Gaumen mit schöner Süße fortsetzte – 95/100. Vergrätzt hat uns im Oktober 2005 erst ein Margaux. Was da aus der Flasche kam, hatte zwar immer noch eine gesunde, sehr dichte und dunkle Farbe, doch die Madeira-ähnliche, hohe Säure des aus Vorsichtsgründen direkt aus der Flasche eingeschenkten Weines machte einen Genuss unmöglich. Also der Glasinhalt samt Rest der Flasche ab in eine Karaffe. Erstaunlich, wie der Margaux sich dort glättete, wie er weicher wurde. Klar, da war mehr Herbstlaub als Frucht, aber es blitzte mit der Zeit auch noch die delikate Margaux-typische Eleganz auf. Vom reinen Genussfaktor trotzdem nicht höher als 82/100 einzuschätzen, aber es gibt ja auch noch andere Kriterien. Zuletzt 2011 erstaunlich jung und dicht die Farbe, immer noch Fruchtreste, verstärkt durch die immense Säure, wirkte sehr bissig und zupackend, glättete sich mit der Zeit im Glas etwas – 87/100.

2007 ein Cheval Blanc in gutem Zustand aus dem perfekten Keller des Erstbesitzers. Gesunde Farbe, in der Nase Oliven und viel Unterholz, ein großer Spaziergang durch einen frühherbstlichen Wald nach einem Regenschauer. Immer noch die sprichwörtliche Eleganz eines großen Cheval Blanc, auch am Gaumen. Klar war da nicht mehr viel Kraft, keine Power wie beim 47er, aber immer noch erstaunliche, fruchtige Finesse, einfach delikat, unterstützt von einer leichten Säure. Immer mehr entwickelte sich dazu am Gaumen die feine Süße eines perfekt gereiften, alten Weines - 96/100. Deutlich scwächer 2010 aus einer Hochrisikoflasche mit weniger als low shoulder, aber erstaunlicherweise immer noch gut trinkbar - 86/100.

Fündig wird man in jedem Fall in Burgund, denn 1911 war eines der ganz großen Burgunderjahre.

So dicht, füllig, süß und exotisch war 2011 der Chambertin von Bouchard, so extrem vielschichtig mit gewaltigem, aromatischem Druck und generöser Süße, lang am Gaumen und einfach Weltklasse – 100/100. Ein Pommard von de Beuverand & de Poligny wirkte 2011 fast wie ein Zwilling des Chambertin, sehr dichte, deutlich jünger wirkende Farbe, explosive Aromatik, irre Süße, soviel Druck am Gaumen, so komplex und lang – 100/100. Ein Santenay von Docteur Barolet hatte 2008 eine zwar helle, aber klare, intakte Farbe mit rotem Kern. Er wirkte immer noch erstaunlich frisch und pikant ohne Alterstöne, sehr elegant und finessig mit feiner Süße – 94/100. Bei der Zwillingsflasche 2015 so vital noch die Farbe, so fein die immer noch spürbare Frucht, so seidig die Eleganz und die dazu gehörige Süße dieses einfach kompletten, perfekten Weines, der dazu noch eine tolle Länge zeigte – WT100. Einem Romanée St. Vivant von Gaudemet-Chanut merkte man 2011 die 100 Jahre nicht unbedingt an. Hell die Farbe, die Nase leicht medizinal und staubig, aber auch noch mit etwas pikanter Frucht, am Gaumen fein, elegant, fast filigran mit denzenter Süße und voll intakter Struktur, legt im Glas enorm zu. 94/100 für den reinen Genuss, für das Erlebnis dieses vitalen 100jährigen müsste es das Alter als Note geben. Etwas dunkler 2015 die Farbe des 1911 Corton von Morin, sehr würzig, kräftig und lang am Gaumen, auch das ein voll intakter, unsterblicher Riese – WT98. La Romanée von Morin war 2011 sehr fein, sehr elegant, filigran, die rote Leichtigkeit des Seins, aber dabei so nachhaltig und lang mit verschwenderischer Süße, da braucht es keine großen Schlucke, jeder einzelne Tropfen erzählt unendliche Geschichten, ein Wahnsinnswein, der enorm im Glas ausbaut – 100/100. Wie eine Junior-Ausgabe des La Romanée wirkte 2011 der Vosne Romanée von Morin, ähnlich in der Stilistik, etwas kräftiger, aber nicht so elegant, sehr schöne Süße, würde als Solitär in jeder Probe brillieren, aber neben diesem Giganten reichte es „nur“ für 96/100. Etwas irritiert war ich 2007 von einem Pommard von Leon Violland. Der Wein stammte vom Gut und war dort neu ausgstattet worden, d.h. dekantiert, geschwefelt in die alten Flaschen zurückgefüllt, was auch der Korken angab. Deutlich deshalb auch die Schwefel-Nase dieses aufgefrischten Seniors, der eine erstaunlich brilliante Farbe besaß und ein großes Aromenspektrum bei gleichzeitig kräftiger Säure am Gaumen. Dabei war er sehr komplex und lang – 96/00.

Auch in anderen französischen Anbaugebieten lohnt die Suche. Im Elsass galt das Jahr ebenso als sehr gut wie an der Loire und an der Rhone.

Ein Chateauneuf-du-Pape Clos Papal von Abbé Mame war 2013 in großer Wein mit erstaunlich dichter Farbe, wirkt durch die massive Säure immer noch frisch, ist im besten Sinne kernig, kräftig und enorm lang am Gaumen – 95/100.

Grosses Weinjahr in Deutschland.

Einfach ein einmaliger, optischer Genuss war 2008 die alte Schlegelflasche mit dem Wehlener Münzlay von Conrad Dietz aus dem seinerzeit viel besungenen Elferjahr, einem der besten, deutschen Weinjahrgänge des letzten Jahrhunderts. Doch gerade die Optik wird diesem Wein zwischendurch zum Verhängnis geworden sein, war doch diese Flasche prädestiniert zur Zierde eines jeden Kaminsimses. So fehlten nicht nur 9 cm Wein, es fehlte auch jeder Genuss bei dieser spezifarbenen Flüssigkeit, die mit ihrer massiven Säure allenfalls entfernt an Madeira erinnerte. Die brilliante Farbe der Erbacher Steinmorgen Auslese von Anheuser&Fehrs im Stile der 71er deutete 2o11 nicht auf das Alter hin. Feine Honignase, reifer Apfel, etwas Bienenwachs, am Gaumen nur ganz dezente Altersnote, wenig Süße, wirkte harmonisch trocken, aber dabei noch so unglaublich frisch, immer noch deutliche Säure, absolut stimmig und harmonisch – 97/100.

Großartiger Charakterstofff 2011 ein Barolo Annata von Scanavino, sehr dichte, jünger wirkende Farbe, animalisch, medizinal, kräftig, zupackend, rustikal, balsamische Noten, hohe Säure, portig und Unteholz, ein komplexer, faszinierender Wein mit schöner Süße und Länge, baut enorm im Glas aus – 94/100.

Für eine sehr positive Überraschung sorgten zwei Anfang der 90er bei Christies ersteigerte Flaschen 1911 Perriet Jouet. Beide erwiesen sich 1998 und 2001 mit güldener Farbe, ohne Mousseux, aber auch kaum Firne, mit deutlichem Brotton und Anis als vorzügliche Essensbegleiter. Kein Wunder, war doch 1911 ein ganz großes Champagnerjahr.

Für Portwein ein sehr gutes Vintage-Jahr.